Initiative für innovative Hochschullandschaft

Die Stiftung SWITCH setzte in Kooperation mit dem Think Tank W.I.R.E. kürzlich den Grundstein für die Initiative FUTURE UNIVERSITY. Die über 100 Entscheidungsträger aus der Schweizer Hochschullandschaft erhielten am Lancierungs-Event inspirierende Denkanstösse zu Trends in Bildung und Forschung. Strategische Patentrezepte für Hochschulen gab es zwar keine, dafür einige unkonventionelle Lösungsansätze.

Text: Séverine Jagmetti, publiziert am 29.06.2018

Die Hochschullandschaft der Schweiz ist im Umbruch. Digitalisierung, wachsende internationale Konkurrenz und die zunehmende Individualisierung stellen die Universitäten vor neue Herausforderungen: Wie wird Wissen in Zukunft effektiv vermittelt und welche Kompetenzen müssen Hochschulen Studierenden mitgeben? Und wie sehen die Ökosysteme der Universitätslandschaft von morgen aus? Auf diese und ähnliche Fragen erhielten die Gäste des ersten FUTURE UNIVERSITY Events am 13. Juni 2018 erste Antworten.

Der Hauptprogrammpunkt bestand aus der Präsentation der Resultate einer nationalen Studie zur Hochschule der Zukunft. Den praktischen Kontrapunkt setzten zwei internationale Pioniere, die den gängigen Lehr- und Lernmethoden kritisch begegnen und selbst neue Wege gehen.

Gemeinsame Sache für den Bildungs- und Forschungsplatz Schweiz

Die Stiftung SWITCH versteht sich als integraler Bestandteil der Schweizer Hochschulgemeinschaft und ist bestrebt, ihren Anteil dazu beizutragen, damit die Schweiz weiterhin ihren Spitzenplatz in Forschung und Innovation halten kann. Damit SWITCH auch in Zukunft ganzheitliche ICT-Lösungen für die Hochschulen entwickeln kann, muss sie wissen und verstehen, in welche Richtung sich die Hochschulen entwickeln werden. Es entspricht auch Tradition von SWITCH, ihre Dienstleistungen in der Rolle als «Enabler» gemeinsam mit der Community und interdisziplinär zu erarbeiten. Aus diesem Grund war für SWITCH von vorherein klar, dass die Initiative rund um FUTURE UNIVERSITY nur im Kollektiv funktioniert.

Mit W.I.R.E. wurde ein Studienpartner gewählt, der über einen langjährigen Leistungsausweis im systematischen Erfassen von globalen Entwicklungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft und ein breites nationales und internationales Netzwerk verfügt. Es ist insbesondere der interdisziplinäre methodische Ansatz, der W.I.R.E. speziell für die Identifikation und Bewertung von Zukunftsentwicklungen in der Schweizer Hochschullandschaft qualifiziert.

"Es soll ein breit angelegter Diskurs darüber in Gang gesetzt werden, welche gemeinsamen Lösungen es langfristig braucht, damit die Schweiz auch in Zukunft ihren weltweiten Spitzenplatz in Forschung und Innovation erfolgreich verteidigen kann".

Dr. Andreas Dudler, SWITCH

Die Vision von FUTURE UNIVERSITY konzentriert sich in erster Linie auf ein proaktives Monitoring der Langzeitentwicklungen des Schweizer Bildungs- und Forschungsplatzes sowie auf das Aufzeigen konkreter Gestaltungsmöglichkeiten, um von diesen Entwicklungen optimal profitieren zu können. Das Schweizer Hochschulmanagement soll dadurch Inspirationen für seine strategischen Entscheidungen erhalten. Zudem soll, so Dr. Andreas Dudler, Geschäftsführer von SWITCH, "ein breit angelegter Diskurs darüber in Gang gesetzt werden, welche gemeinsamen Lösungen es langfristig braucht, damit die Schweiz auch in Zukunft ihren weltweiten Spitzenplatz in Forschung und Innovation erfolgreich verteidigen kann".

Hochschulen aus der Vogelperspektive betrachtet

Die Vertreter des Denklabors W.I.R.E. konzentrierten sich bei ihrer Präsentation der Studienergebnisse auf eine thesenartige Abbildung der Zukunft der Universitäten. Der bewusst gewählte holistische Ansatz erlaubt eine Betrachtung des Wandels auf der Makroebene: 

Nebst der Digitalisierung, die sowohl interne Verwaltungsprozesse, Lehre und Forschung als auch die Kommunikation nach aussen transformiert, prägen auch die steigende Lebenserwartung, Ökonomisierungstendenzen und veränderte Arbeitswelten die Hochschule der Zukunft. Lehre und Forschung werden künftig noch stärker in einem globalisierten Umfeld stattfinden. Massenmediale Mechanismen, die Demokratisierung hin zu einem komplett offenen Zugang zu Wissen und die voranschreitende Individualisierung sind prägende Rahmenbedingungen. 

Votum von W.I.R.E. für menschliche Fähigkeiten im digitalen Zeitalter

Es versteht sich von selbst, dass die Hochschulen Chancen und Nutzen der digitalen Transformation in ihren strategischen Überlegungen berücksichtigen, sei es im administrativen Bereich, für die Forschung oder für die Lehre. Für die Wissensvermittlung braucht es nebst klassischen Hörsälen neue Tools. Virtuelle und analoge Lehrmethoden müssen geschickt kombiniert werden. Dabei muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Lernen immer individueller, flexibler und dezentraler wird und dies ein ganzes Leben lang. Personalisierte Curricula werden zum Standard.

Hochschulen sind gezwungen, ein klar positioniertes, marktkonformes Angebot zu erbringen. Dies kann zu einer Ausdünnung des Fächerangebots führen. Dies wiederum gefährdet interdisziplinäre und kreative Forschungsansätze, die oft Grundlage von Innovationen sind. Neue Berufsfelder verlangen nach neuen Fähigkeiten. Hochschulen müssen diesem Wandel besser Rechnung tragen, indem sie künftig vermehrt mit Akteuren aus der Gesellschaft und der Wirtschaft kooperieren werden. Für Disziplinen, die keinen unmittelbaren Benefit generieren, wird es zunehmend enger. Hier wird entscheidend sein, den Mehrwert von solchen Kompetenzen aufzuzeigen und einen aktiven Dialog mit der Politik zu führen.

Die Hochschulen sollten ein unabhängiger Ort des Reflektierens, sprich der Lehre und der Forschung, bleiben.

Ganz entscheidend für die modernen Lehr- und Lernmethoden, aber auch für die Forschung, ist die damit verbundene technische Infrastruktur. Die Datensicherheit und das Verwalten von grossen Datenvolumina sind entscheidende Erfolgsfaktoren für Hochschulen. Der technische Wandel eröffnet Hochschulen und Bibliotheken die Chance, eine Art "übergeordnete Wissensdatenbank" aufzubauen und diese verantwortungsvoll zu managen.

Die Veränderungen im Hochschulbereich gleichen zusammenfassend eher einer Evolution, denn einer Revolution. Trotz der digitalen Transformation wird der Mensch immer im Zentrum stehen. Die Hochschulen sollten ein unabhängiger Ort des Reflektierens, sprich der Lehre und der Forschung, bleiben. Das kritische Denken, Empathie, Kreativität und das aktive Gestalten der Zukunft – Fähigkeiten, die niemals durch Roboter ersetzt werden können – müssen weiterhin gestärkt werden.

Scheitern als Erfolgsrezept

Christer Windeløv-Lidzéliu ist Rektor der "Business & Design School Kaospilot" in Dänemark. In seiner Hochschule wird LEARNING BY DOING grossgeschrieben. Er ist der Überzeugung, dass Lernen etwas sehr Individuelles ist und dass zuerst gelernt werden muss, wie man am effektivsten lernen kann. Vieles muss zuerst einmal ausprobiert werden und das Scheitern gehört dazu. «Fail fast, fail early, fail often» ist nach Christer Windeløv-Lidzéliu eine wichtige Voraussetzung, um Innovation zu ermöglichen.

Fail fast, fail early, fail often - ist eine wichtige Voraussetzung, um Innovation zu ermöglichen.

Wichtig erscheint ihm letztlich, dass sich seine Studierenden ein Gespür für sich als Person, für ihre Fähigkeiten, für die Community und die Führung erwerben. Der Erfolg gibt ihm recht, denn viele seiner Studienabgänger/innen starten eine Karriere als Unternehmer/in. Eine ideale Hochschulbildung gestaltet sich nach seiner Auffassung als "real-time, reality-affixed and relational".

Spielend zum Studienabschluss

Olivier Crouzet ist pädagogischer Leiter von 42.fr, eine IT-Hochschule, die ganz auf Vorlesungen und Dozenten verzichtet. Es gibt nur ein kleines Team von pädagogischen Beratern und ein Intranet, worüber Kontakte geknüpft und Meetings organisiert werden können. Der Rest passiert über Peer-Learning und Peer-Evaluation. Jede/r Studierende wählt sein eigenes Tempo und sammelt Punkte, vergleichbar mit einem Videospiel, in dem man von Level zu Level aufsteigt. Die Studierenden lernen so, kritisch und kreativ zu denken, die richtigen Informationen zu suchen und zu bewerten, Probleme zu lösen und zu kollaborieren. Dieser Ansatz ist nicht nur in Bezug auf die Lehre und das Lernen innovativ, sondern auch im Hinblick auf den Zugang. Studierende bei 42.fr müssen über keine schulische Vorbildung verfügen und keine Gebühren bezahlen. Was zählt, ist das Talent, das anhand eines ausgefeilten Selektionsprozesses erfasst wird.

Studierende müssen auf ihren Fähigkeiten aufbauen, sich individuelle Profile zurechtlegen und kritisch denken.

Dieses innovative Schulmodell ist kein Selbstzweck, sondern ist aus dem dringenden Bedürfnis nach dem IT-Fachkräften in Frankreich entstanden. Seit der Gründung 2013 erhielten viele Studierende bereits während der Ausbildung Praktikums- und Jobangebote. Die Resonanz von Seiten Arbeitgeber ist durchwegs positiv.

Crouzets plädiert für eine starke Interaktion zwischen Hochschulen und Arbeitsmarkt. Studierende müssen auf ihren Fähigkeiten aufbauen, sich individuelle Profile zurechtlegen und kritisch denken. "Agile state of mind to face the unknown", so lautet seine Devise.

Weitere Informationen: Speaker Biografien

Initiative FUTURE UNIVERSITY

SWITCH und W.I.R.E. haben mit dem Event in Bern den Dialog rund um die Hochschule der Zukunft angestossen. Bislang gibt es noch keine Plattform in der Schweiz, die sich systematisch mit diesen Fragen auseinandersetzt. Das Ziel der Initiative ist es, gemeinsam Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, Ökosysteme zu bilden und Innovationen voranzutreiben. Damit leistet die Initiative einen Beitrag, damit die Schweiz auch in Zukunft ihren weltweiten Spitzenplatz in Forschung und Innovation erfolgreich verteidigen kann.

Für weitere Informationen oder Anregungen wenden Sie sich bitte an das Organisationskomitee von SWITCH.

Studie FUTURE UNIVERSITY

W.I.R.E. wählte für die Studie «FUTURE UNIVERSITY» einen holistischen Ansatz, um eine möglichst umfassende Gesamtschau zur Zukunft der Schweizer Hochschulen im Zeitalter der Digitalisierung zu ermöglichen. Die Verantwortlichen führten breit abgestützte Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Hochschulwelt und ergänzten ihre Einsichten mit Desktop-Recherche.

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